Konflikte & Tabuisierung
Konflikte und Sozialpsychologische Dynamiken tabuisieren
Die „Sozialpsychologischen Dynamiken“, wie zum Beispiel Konkurrenzkämpfe, Mobbing, passive Widerstände, Verdrehungen, Bemächtigungsstrategien und andere Konflikte, spielen eine entscheidende Rolle in Unternehmen und sind oft ausschlaggebend für Erfolg und Misserfolg.
Aus Angst vor Konflikteskalation werden unterschwellige sozialpsychologische Dynamiken tabuisiert. Das heißt, es wird einfach so getan „als wäre nichts“ – was aus Sicht der Verantwortlichen durchaus verständlich ist.
Führungskräfte beispielsweise, werden dafür bezahlt, dass Projekte schnellstmöglich und erfolgreich durchgeführt werden. Konflikte im Team sind Zeitfresser und sie stellen ein Risiko für den Manager dar, da es so erscheinen könnte, als wären seine Führungsqualitäten unzureichend.
Konflikte und Tabuisierungen führen zum Ausagieren.
Werden Unstimmigkeiten zwischen Menschen übergangen oder nicht erkannt, bleiben in der Person (oder den Personen) Missstimmungen, wie Empörung, Groll, Zorn oder auch Angst, Scham und Minderwertempfinden zurück. Da diese Gefühle im Moment des Geschehens nicht gelöst bzw. zum Ausdruck gebracht werden können, verbleiben sie in der Person in Form des „Aggressiven Potenzials“.
Was geschieht mit dem Aggressionspotenzial?
Drei Formen des Umgangs:
- Intrapersonale Verarbeitung – Frustration kann ertragen und verarbeitet werden – Klärung wird angestrebt
- Autoaggression – die Person beschuldigt und bestraft sich selbst – Folge: depressive Verstimmung, Erschöpfung und Krankheit…
- Konfliktverschiebung und Ausagieren des Aggressionspotenzials – die häufigste und gefährlichste Form für das Unternehmen – Folge: sozialpsychodynamische Störungen – innerbetrieblich und im Firmenumfeld
Drei Beispiele für Konflikte und deren Dynamisierung:
Dynamik der „internen Stimmungsmache“:
Ein Mitarbeiter hat das Gefühl, dass er und seine Arbeit vom Chef nicht wertgeschätzt werden. Da er es nicht wagt, dem Chef das zu sagen, spricht er mit den Kollegen darüber und findet bei ihnen Zustimmung. Erzählen nun andere Mitarbeiter, dass sie sich vom Chef abgewertet fühlen, beginnt die Stimmungsmache – kleinere und größere Unstimmigkeiten mit dem Chef werden addiert und unter den Mitarbeitern diskutiert, bis der Chef vielleicht in den Ruf gerät, ein rücksichtsloser Mensch zu sein, der seine Mitarbeiter schikaniert.
Diese Dynamik erschafft eine Kluft zwischen Chef und Mitarbeitern. Das Vertrauen schwindet und immer mehr auch die Bereitschaft, die Anweisungen des Chefs ernst zu nehmen – nach dem Motto: „…was DER schon wieder will“.
Unter diesen Bedingungen kann es keine engagierte Zusammenarbeit geben!
Dynamik des „externen Anschwärzens“:
Eine Führungskraft fühlt sich vom Chef ungerecht behandelt, kann aber den eigenen Standpunkt nicht vertreten. Dadurch kann Groll entstehen, der nach einem Ventil sucht. Und so wäre es möglich, dass die Führungskraft in einem Gespräch mit Kunden oder Geschäftspartnern sich dahingehend äußert, dass das Projekt viel besser laufen würde, wenn der Chef nicht dauernd bremsen würde.
Anschwärzen des Chefs im Außenverhältnis und gleichzeitig macht sich die Führungskraft zum „besseren Chef“. Erfahrene Geschäftsleute durchschauen das Spiel und verachten meist Personen, die sich so verhalten. Gleichzeitig entstehen jedoch Zweifel an der Firma, denn …wo kein Feuer, auch kein Rauch.
Dynamik in „Inhaber geführten Unternehmen“
Der Inhaber und oberste Chef eines Unternehmens ist besorgt, weil die Zahlen nach unten gehen und zwei von drei Abteilungen die geforderte Leistung nicht erbringen. Er fürchtet, dass das Unternehmen in eine Abwärtsspirale rutschen könnte. Um die Mitarbeiter nicht zu beunruhigen, teilt er den wahren Sachverhalt nicht mit, sondern versucht sie zu motivieren.
Durch seine Befürchtungen und durch die, in seinen Augen, dringende Notwendigkeit das Unternehmen in eine andere Richtung zu lenken, übt er sowohl direkten als auch indirekten Druck aus, was die Mitarbeiter augenblicklich demotiviert und in Niedergeschlagenheit versetzt. Keiner spricht darüber – wenn aber doch, zeigt der Chef sofort die Fehler im Denken des Mitarbeiters auf und bringt mit verstärktem Druck seine eigenen Argumente vor.
Ergebnis: Alle Beteiligten gehen deprimiert aus dem Meeting und es ist zu erwarten, dass die Arbeitsleistung weiter sinkt. Die Menschen verlieren den Sinn ihrer Tätigkeit aus den Augen, wenn anstelle von Gesehen und Gehört zu werden, Druck, Manipulation und versteckte Drohungen die Arbeitsatmosphäre bestimmen.
Zusammenfassung
In allen drei Beispielen ist der ungelöste Konflikt in einer einzelnen Person, Auslöser für die entstehenden Dynamiken.
Was genau liegt dem zu Grunde?
Bei genauerer Betrachtung können wir bemerken, dass es in jedem der drei Fälle um „Abtrennung“ geht.
- Die Person, die sich vom Chef nicht wertgeschätzt fühlt, erlebt sich ausgegrenzt.
- Die Führungskraft fühlt sich nicht gesehen und ist dadurch auf sich selbst zurückgeworfen.
- Der Chef ist so in seine Sorgen vertieft, dass er neben den dringenden Erfordernissen, die Menschen nicht sehen kann, sondern erzwingen will, dass sich der nötige Erfolg einstellt. Er trennt damit die Menschen von sich und vom Firmengeschehen ab.
Abtrennung, Ausgrenzung, nicht dazugehören, gehört zu den schlimmsten Erfahrungen sozialer Wesen!
Spaltung des Unternehmens
Dadurch, dass die Konflikte und Dynamiken – oft jahrelang – übergangen und tabuisiert werden, entstehen zwei voneinander getrennte Wirklichkeiten:
1. Die offizielle Unternehmenswelt, die den Geschäftszielen folgt.
Dabei soll das, was nicht funktioniert, durch betriebswirtschaftliche Regularien gelöst werden. Durch die unterschwelligen Dynamiken können Maßnahmen nicht wirkungsvoll umgesetzt werden. Meistens erkennen Unternehmen die sozialpsychologischen Zusammenhänge nicht, geben dem Projektleiter die Schuld und versuchen immer und immer wieder die Probleme auf der Handlungsebene, anstatt auf der Beziehungsebene, zu lösen.
2. Die inoffizielle, unterschwellig gelebte Beziehungswelt.
Dabei werden infolge der inoffiziellen Rollenstruktur und durch die diversen Abhängigkeiten, eigennützige Intentionen und Ziele verfolgt.
Auf der Geschäftsebene wird der Schein des allgemeinen Einverständnisses oftmals aufrechterhalten.
Fazit:
Sind die Ziele der inoffiziellen Unternehmensstruktur von den Zielen der offiziellen Firmenleitung verschieden, ist die Durchführung von betriebswirtschaftlichen Maßnahmen zäh und die Wirksamkeit begrenzt.
Warum ist das so?
Zum Einen steht die mit Widerständen behaftete Umsetzung im Wege und zum Anderen haben Sozialgefüge eine von Emotionen getragene, visionäre Kraft, die in der Lage ist, Intentionen zu verwirklichen – sowohl konstruktiv als auch destruktiv. Werden die Ziele der solidarisierten Sozialgemeinschaft verwirklicht, können Unternehmensziele nur unzureichend bis gar nicht umgesetzt werden.
Wann richten sich Menschen mit Begeisterung auf die Unternehmensziele aus?
- Wenn sie zur Gemeinschaft gehören und die Verbundenheit spüren
- Wenn sie gesehen und gehört werden
- Wenn ihnen etwas zugetraut wird
- Wenn ihnen Vertrauen und Wertschätzung entgegengebracht werden
- Wenn ihre Arbeit Sinn macht und zum Erfolg des Unternehmens beiträgt
- Wenn das, was ihnen in ihrem Arbeitsbereich auffällt, vom Management als wertvoll erkannt wird und zur Ausrichtung des Unternehmens beitragen kann.
- Und wenn Zeit vorhanden ist… miteinander zu sprechen… Ideen fließen zu lassen .. und Missverständnisse zu klären.
Doch stopp! Erst müssen die abgespaltenen Unternehmensteile wieder zu einer Einheit werden.